Das Fehdewesen
Das Fehdewesen im römisch-deutschen Reich war ein komplexes und tief in der mittelalterlichen Gesellschaft verankertes Phänomen, das es ermöglichte, persönliche und rechtliche Konflikte durch Gewalt auszutragen. Das Wort "Fehde" selbst stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet "Feindschaft" oder "Streit". Ursprünglich stand das Recht, eine Fehde zu führen, allen freien Männern ritterlichen Standes zu, wobei Bauern, Stadtbewohner, Kleriker, Juden und Frauen ausgeschlossen waren. Im Laufe des Mittelalters durchlief das Fehdewesen zahlreiche Veränderungen, und es entstanden unterschiedliche Formen der Fehde, die je nach sozialem Stand, regionalen Gegebenheiten und politischen Umständen variierten. So konnten im späten Mittelalter auch Städte dem benachbarten Adel oder umgekehrt der Landesherr widerspenstigen Städten Fehde ansagen. Städte, die häufig in Fehden verwickelt waren, führten detaillierte Verzeichnisse von Fehdebriefen, um ihre Gegner im Blick zu behalten.
Fehdegründe und -handlungen
Die Fehde war ein Mittel zur Durchsetzung eigener Rechtsansprüche, insbesondere dann, wenn gerichtliche Mittel versagt blieben oder nicht als ausreichend betrachtet wurden. Fehdeführende verfolgten das Ziel, den Gegner zu zwingen, ihre Ansprüche anzuerkennen. Andernfalls wurde versucht, ihm maximalen Schaden zuzufügen, bis hin zur wirtschaftlichen Ruinierung. Zu den typischen Fehdehandlungen zählten Plünderungen, Brandstiftungen und Hausfriedensbruch, die sich häufig gegen die Besitzungen des Gegners richteten. Besonders die Bauern litten darunter, da ihre Dörfer niedergebrannt, ihre Felder verwüstet und sie selbst oft verschleppt oder getötet wurden. Diese Zerstörungen dienten nicht nur der Schwächung des Gegners, sondern auch der Versorgung der eigenen Truppen.
Fehdeankündigung
Eine Fehde musste formell durch die sogenannte Absage oder Widersage erklärt werden, um als rechtmäßig zu gelten. Ohne eine solche formale Ankündigung galt die Fehde als "unrechte Fehde", was als großes Unrecht betrachtet wurde und schwerwiegende Strafen nach sich ziehen konnte, darunter der Vorwurf des Landfriedensbruchs. Die Absage wurde ursprünglich mündlich durch einen Boten überbracht, der ein entblößtes manchmal sogar blutiges Schwert trug; später erfolgte die Absage schriftlich mittels eines Fehdebriefes, den der Bote etwa an ein Tor heftete oder auf der Lanzenspitze überreichte. Die Absage beendete alle bestehenden Bindungen zwischen den Parteien und setzte eine Frist, nach der die Feindseligkeiten beginnen konnten: Es mussten in der Regel drei Tage vergehen, bis die ersten Kamphandlungen beginnen konnten, um beiden Seiten Zeit zur Vorbereitung zu geben. Häufig wurden jedoch Tricks wie das Zurückdatieren der Absage angewandt, um den Gegner zu überrumpeln.
Fehdebrief
Der Fehdebrief war teils höflich, teils aber auch recht grob formuliert. Er enthielt typischerweise die Anrede des Gegners und die Nennung des Absenders, zuweilen auch den Streitgegenstand und die Namen der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen. Verwandte und Vasallen, die nicht angegriffen werden sollten, wurden ebenfalls namentlich aufgeführt. Auch die Fehdehelfer erklärten in kurzen Briefen ihre Parteinahme für den Fehdeführer. Üblicherweise enthielt der Fehdebrief noch einen Hinweis auf die Bewahrung der eigenen Ehre. Mit diesem Passus, etwa mit dem Wortlaut "und will desz mein ehre gegen euch und die euren bewahret haben", wollte man die Rechtmäßigkeit der Kampfansage betonen.
Graf Gerhard von Aarberg-Valangin sendet Bern den Fehdebrief, 1339. Hintergrund war die Auseinandersetzung zwischen der Stadt Bern und den Habsburgern. Gerhard selbst stand auf Seiten der Habsburger. (Spiezer Chronik des Diebold Schilling, Bern, Burgerbibliothek)
Beendigung der Fehde
Wenn der Angegriffene in der Fehde unterlag, musste er eine Urfehde schwören, in der er den Fehdezustand für beendet erklärte und auf Rache verzichtete. Der Sieger konnte dann seine Bedingungen diktieren. Wenn keine Seite siegte, konnte ein gemeinsamer Frieden geschlossen werden, ohne die einzelnen Fehdehandlungen gegeneinander aufzurechnen. Dies wurde häufig durch einen Dritten vermittelt oder von einem Schiedsgericht bestätigt.
Maßnahmen gegen das Fehdewesen
Mit der Zeit erkannten die weltlichen und kirchlichen Machthaber die Notwendigkeit, die weitverbreitete Praxis der Fehde zu regulieren oder einzudämmen. Die Gottes- und Landfriedensbewegungen des Hochmittelalters versuchten, Fehden durch rechtliche Regelungen und Sanktionen zu begrenzen, ohne sie jedoch vollständig abzuschaffen. Ein bedeutender Schritt in Richtung der Eindämmung des Fehdewesens war der "Ewige Landfriede", der 1495 auf dem Wormser Reichstag verkündet wurde und die Fehde generell verbot. Trotz dieses Verbots bestand die Praxis in einigen Regionen bis ins 16. Jahrhundert fort.
Links und Literatur
- Regionalgeschichte.net
- Historisches Lexikon Bayerns
- Gerd Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997.
- Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 1990 (Erstausgabe: Rohrer, Baden bei Wien u. a. 1939).
- Julia Eulenstein, Territorialisierung mit dem Schwert? Die Fehdeführung des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (1307/08-1354) im Erzstift Trier (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 115), Koblenz 2012.
- Mattias G. Fischer, Reichsreform und "Ewiger Landfrieden". Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495 (= Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. Neue Folge 34), Aalen 2007.
- Joseph Morsel, "Das sy sich mitt der besstenn gewarsamig schicken, das sy durch die widerwertigenn Franckenn nitt nidergeworffen werdenn." Überlegungen zum sozialen Sinn der Fehdepraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken, in: Dieter Rödel/Joachim Schneider (Hg.), Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, Wiesbaden 1996, 140-167.
- Elsbet Orth, Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter. Fehderecht und Fehdepraxis im 14. und 15. Jahrhundert (= Frankfurter Historische Abhandlungen 6), Wiesbaden 1973.
- Thomas Vogel, Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter am Beispiel der Reichsstadt Nürnberg (1404-1438) (= Freiburger Beiträge zur Mittelalterlichen Geschichte 11), Frankfurt u.a. 1998.
- Joachim Wild, Der Fehdebrief. Zur Diplomatik des Fehdewesens im Herzogtum Bayern, in: Hans-Joachim Hecker u.a. (Hg.), Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit in der bayerischen Geschichte (= Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 30), München 2006, 99-122.